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Lage
In den 1980ern ist Berlin
eine geteilte Stadt. Der in Westberlin gelegene Bezirk Kreuzberg SO 36
ist auf drei Seiten von der Mauer umgeben und nicht nur geographisch an
den Rand gerückt. Von Behörden, Stadtplanern, Eigentümern
und Investoren werden die Gebäude aus der Gründerzeit um 1870
für wertlos erklärt. Die Objekte sind den Eigentümern unter
anderem wegen der Mietpreisbindung für Altbauwohnungen nicht profitabel
genug. Dringend notwendige Reparaturen und Instandsetzungen werden nicht
durchgeführt. Verfall, Zerstörung und Entmietung bereiten den
Abriss vor. Man will die autogerechte Stadt. Dafür soll die Oranienstraße
zur Stadtautobahn und der Oranienplatz zum Autobahnkreuz umgebaut werden.
Die Kreuzberger Mischung – Leben und Arbeiten im Kiez – soll
abgeschafft werden. Luxusmodernisierungen, Abschreibungsprojekte wie das
Neue Kreuzberger Zentrum am Kottbusser Tor und für die Bauherren
hoch subventionierter sozialer Wohnungsbau wie in der Naunynstraße
sind Lösungen mit hoher Rendite.
Besonders die Luisenstadt und der Wrangelkiez sind von der geplanten oder
bereits erfolgten Kahlschlagsanierung betroffen. Zugemauerte, mit Stahltüren
gesicherte, verfallende leer stehende Häuser, verbretterte Läden,
düstere Straßen und vermüllte Brachen bestimmen das Bild.
In Ruinen und Baugruben proben US-Soldaten den Krieg in den Städten.
Die mobileren, finanziell besser gestellten
Bewohner und Gewerbetreibenden ziehen weg, andere werden in die am Stadtrand gelegenen Neubaugebiete des Märkischen
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Viertels oder der Gropiusstadt umgesetzt. Die alleinstehenden Alten harren
in den maroden undichten Wohnungen ohne Bad mit Außenklo aus, beklagen
die schwindenden Einkaufs- und Einkehrmöglichkeiten und haben Angst
vor der Leere auf den Straßen und den Brandstiftungen in den Häusern.
Auch die Studenten, Künstler, Lebenskünstler und Migranten bleiben
in den billigen Wohnungen. Weitere kommen dazu, sie erhalten befristete
Nutzungsverträge – bis zum Abriss oder bis zur Modernisierung.
Auch einige alternative Betriebe richten sich prekär in den zunächst
oft nicht beheizbaren, aber preiswerten Fabriketagen ein.
Der seit der Entstehung als Einwanderer- und Arbeiterbezirk und späterem
Bohème-Viertel wirkende Mythos Kreuzberg hat nun neue Superlativen
zu bieten: Höchster Ausländeranteil, höchste Arbeitslosigkeit,
niedrigstes Pro-Kopf-Einkommen.
Gegen die Zerstörung gibt es in den betroffenen Gebieten bereits
in den 1970ern vereinzelt Widerstand, der in den 1980ern zur Bewegung
wird.
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